Ein Pfad, der die Sinne schärft – der Achtsamkeitspfad Kleine Kyll

16.11.2018

Wanderung durch Vulkankrater auf dem Achtsamkeitspfad

An einem Mittwoch im November war ich mit einem Teil des GesundLand Teams auf einer geführten Tour auf dem Achtsamkeitspfad Kleine Kyll unterwegs. Unter Begleitung von Landschaftsmentorin Deepti Statnik begann der Rundgang an der Heidsmühle in Manderscheid. Obwohl die Eifel morgens noch im Nebel versunken war, konnte sich die Sonne hier und da zwischen den dicken Herbstwolken durchkämpfen.

Bevor es losgeht, stellt sich Deepti Statnik kurz vor. Sie hat ihre Ausbildung zur Landschaftsmentorin für GesundLand Vulkaneifel 2013/2014 gemacht und ist außerdem Yoga-Lehrerin. Deepti erklärt, dass wir zunächst einfach nur ein Stück den Weg entlanggehen. Ob wir dabei mit unseren Nachbarn sprechen oder nicht, ist egal.

So geht es los. Obwohl sich der Nebel verzogen hat, ist es doch noch ziemlich frisch. Nach einer kurzen Strecke hält Deepti uns an. Sie möchte nun eine kleine Übung mit uns machen. Während des Gehens sollen wir uns bewusst in unserer Umgebung umsehen. Was zeigt uns die Natur? Wir sollen nicht nur gerade aus schauen auf den Weg, der vor uns liegt. Sondern auch nach oben, in den Himmel, und zu den Seiten.

Das mache ich dann auch. Die Farbe des Himmels über mir befindet sich irgendwo zwischen grau und blau. Baumkronen begrenzen meinen Blick nach oben. Zu meiner linken geht es einen kleinen Abhang hinunter, während es zu meiner Rechten eine kleine Anhöhe hinaufgeht. Mir fällt auf, dass der Wald rechts von mir lichter ist als links. Die Bäume stehen dort weiter auseinander.

Der Weg führt uns wieder aus dem Wald hinaus. Wir halten an einem Stück Weg an, das die Sonne voll erwischt. Hier ist es sofort um einige Grad wärmer. Deepti möchte, dass sich unsere Gruppe großzügig auf dem sonnigen Plätzchen verteilt. Wir sollen viel Abstand haben zu unseren Nebenmännern und -frauen wie möglich. Gleich zeigt sie auch warum: Mit der nächsten Übung sollen wir frei werden. Wer möchte, kann die Augen schließen. Wer das nicht möchte, der sucht sich einen Fleck in der Landschaft, der ihm besonders gut gefällt - ein Baumwipfel, ein Hügel, was auch immer es ist. Deepti schließt die Augen und schwingt die Arme leicht hin und her. Ich tue es ihr gleich. Dazu erzählt sie von einem Vogel, der sich in immer weitere Höhen schraubt, bis er genug davon hat und wieder zur Erde zurückkehrt. Deepti holt uns wieder zurück ins hier und jetzt. Als ich die Augen öffne, muss ich blinzeln - zu hell scheint die Sonne ins Gesicht.

Nach dieser kurzen Auszeit geht es weiter. Der Weg führt wieder in den Wald hinein. Hier wartet eine neue Übung: Deepti bittet uns, für das nächste Stück des Weges nicht miteinander zu sprechen, dafür aber genau auf unsere Umgebung zu achten. Abwechselnd sollen wir in die Ferne und in die Nähe schauen und dabei genau beobachten, was uns auffällt. Was genau uns auffallen soll, lässt Deepti offen. Wir setzen uns in Bewegung und ich schaue auf den Waldboden unter mir. Dort liegt alles voll mit Nadeln. Dicht an dicht, abgeworfen von den Bäumen über mir, legen die Nadeln einen weichen, rostroten Teppich vor meinen Füßen aus. Ich frage mich, wie viele Nadeln wohl in so einem Wald liegen?

Ich lasse meinen Blick in die Ferne schweifen. Dort stehen reihenweise Tannen nah beieinander. Obwohl ihre Äste fast bis ganz nach unten reichen, befinden sich die Tannenzapfen der Bäume fast nur in der Krone. Je höher im Baum, desto mehr Zapfen hängen zusammen. Während in der Mitte des Baumes nur vereinzelte Zapfen zu sehen sind, sind es oben so viele, dass sich die Äste nach unten biegen. Durch die kleineren Bäume, die die Tannen säumen, fällt mir erst auf, wie weit diese sich in den Himmel strecken. Mein Blick widmet sich wieder meiner unmittelbaren Umgebung. Während manche Bäume schnurgerade stehen, sind andere krumm und buckelig.

Deepti holt uns zurück ins hier und jetzt. Wir machen Halt an der kleinen Quelle. Auch an diesem eher trüben Novembertag sprudelt das Wasser fröhlich aus der Erde und bahnt sich seinen Weg durchs Dickicht, bis die Augen ihm nicht mehr folgen können. Früher wurde die gesamte Wasserversorgung Manderscheids von dieser kleinen Quelle getragen. Deepti lädt uns ein, das Wasser zu probieren. Ich bin skeptisch - für mich muss leckeres Wasser lebendig sein und Kohlensäure haben! Trotzdem lasse ich mir einen Becher geben und bin erstaunt: dieses Wasser könnte sogar ich als Sprudelfanatiker täglich trinken. Obwohl es genauso geschmacklos ist wie Leitungswasser, schmeckt es mir viel besser.

An der Quelle machen wir noch eine kleine Übung zur mentalen Entspannung. Jeder von uns soll sich den Gedanken zurück ins Gedächtnis rufen, an den er zuletzt gedacht hat. Mit geschlossenen Augen stehe ich da und überlege: Was habe ich denn zuletzt gedacht? Mir fällt es nicht mehr ein. Und so stehe ich einfach nur da und denke - nichts. Ich höre nur das Gluckern der kleinen Quelle und Vogelgezwitscher in den Baumwipfeln. Die Übung hat ihren Zweck erfüllt!

Wir machen uns wieder auf den Weg. Nach kurzer Zeit kommen wir zum Hörrohr. Das steht hier am Wegesrand und wartet darauf, dass die Wanderer ihr Ohr zum Lauschen anlegen. Ich probiere es. Die Umgebungsgeräusche klingen gleichzeitig gedämpft und doch auch viel lauter. Alles, was hinter dem Hörrohr liegt, klingt leiser, entfernter. Alles, wonach sich der Trichter des Hörrohres öffnet, hört sich dagegen schärfer, klarer, unmittelbarer an. An dieser Stelle könnte ich länger stehen bleiben, denn hier hört man hauptsächlich das entspannende Gluckern der Kleinen Kyll.

Der Summstein steht nur wenige Meter vom Hörrohr entfernt. Er ist etwas ganz besonderes. Es kostet etwas Überwindung, sich hinzustellen und seinen Kopf in die Aushöhlung im Stein zu stecken. Doch wenn man dabei die Hände an die Seiten des Steins legt und beginnt zu summen, dann übertragen sich die Schwingungen in den ganzen Körper. Ein außergewöhnliches Erlebnis! Das findet auch Deepti, die uns ermuntert, mehr als ein Mal in den Stein hinein zu summen.

Direkt auf den Summstein folgt das Dendrophon, meine Lieblingsstation. Hier hängen 6 Kupferrohre von unterschiedlicher Länge frei an einer Holzkonstruktion. Ein kleiner Holzstock fordert zum Musizieren auf. Ich ergreife die Initiative und schlage ein paar Töne an. Die Rohre geben sehr sanfte Laute von sich, die von der Luft in Richtung Kleine Kyll weitergetragen werden. Fast wünsche ich mir, dass dort noch viel mehr Kupferrohre hängen, sodass eine größere Tonvielfalt gegeben wäre und man ganz abwechslungsreich komponieren könnte. Fest steht jedenfalls, dass an dieser Station selbst die musikalisch Unbegabten wie ich ihre Freude haben.

Während wir weitergehen begegnet uns schon zum zweiten Mal ein Wanderer und auch ein Biker dreht hier seine Runden, für den wir öfter Platz machen müssen. Wir gelangen zu einer Holzbrücke. "Wer barfuß geht, den drücken keine Schuhe" ruft hier ein Zitat dazu auf, sich frei zu machen von Alltagszwängen. Wir sind am Barfußbadeplatz. Verschiedene Untergrundarten wie Lehm, Steine und Sand kann man hier unter den Füßen spüren. Aufgrund der nasskalten Temperaturen möchte ich auf dieses Erlebnis aber doch lieber verzichten, auch wenn es sicher eine Erfahrung wert ist. Auch in die Kleine Kyll möchte an diesem Nachmittag niemand seine Zehenspitzen halten.

Nachdem diese Station etwas kürzer ausgefallen ist, machen wir noch an der Marienhütte halt. Am Fuß der Hütte hätte uns Deepti gerne zu einer Rast im Sitzen eingeladen - doch die Sitzplätze sind bereits von Steinkunstwerken belegt, die sich hier dicht an dicht auf die enge Fläche drängen. Mit viel Fingerspitzengefühl haben hier vorherige Besucher Stein um Stein zu filigranen Steinskulpturen und Steinhäuschen aufeinandergeschichtet. Ich frage mich, wer sich die Zeit dazu genommen hat und ob derjenige vielleicht noch einmal zurückkehrt, um seine Werke zu vollenden. Vielleicht hat er das ganze ja auch in mehreren Etappen aufgebaut oder er hatte bei seinem Kunstwerk Unterstützung. Auch die nahegelegene Bank wurde zur Galerie umfunktioniert. In dieser kunstvollen Umgebung bittet Deepti uns ein letztes Mal innezuhalten. Während ich die Augen schließe, konzentriere ich mich nochmal ganz besonders auf die Geräusche in meiner Umgebung. Der Wind streicht durch die Blätter, die sich immer noch Wacker an die Äste der Bäume klammern. Das Rauschen der Kleinen Kyll ist nur noch leise zu hören. Deepti schließt unseren Rundgang mit einer kurzen Yoga-Übung ab.

Zurück an der Heidsmühle, bin ich fast schon ein wenig traurig, nur einen Teil des Achtsamkeitspfades Kleine Kyll gesehen zu haben. Besonders im Frühjahr und im Sommer stelle ich mir den Rundweg als echtes Naturerlebnis vor, das die Sinne schärft. Ich nehme mir fest vor, bei Gelegenheit eine vollständige Führung mit zu machen.

Autorin: Valerie Schneider

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