Manuel Andrack unterwegs auf den HeimatSpuren: HeimatSpur Kurschattensteig

20.04.2021

Wanderung um einen zauberhaften Ort

Es gibt Wandermarkierungen, die erzählen eine schöne Geschichte. Vor der Tourist Information in Bad Bertrich entdecke ich die Markierung eines genialen Rundwanderwegs – ein gelber Schirm, darunter ein blaues Herz. Was bedeutet das? Sollen Herzpatienten unter dem Sonnenschirm bleiben? Nein, der Wanderweg heißt Kurschattensteig. Der gelbe Schirm spendet den Schatten, unter dem sich das Herz – für eine kurze Zeit – mit einem anderen Herzen verbindet.

Das muss man den jüngeren Wanderern erklären. In den 1960er, 1970er Jahren war es üblich, dass die Krankenkassen Arbeitnehmern mehrmals in ihrem Arbeitsleben einen längeren Kuraufenthalt bescherten. Und weil es bei einer sechswöchigen Kur nicht nur echt langweilig werden kann, sondern man auch recht einsam ist, wurde der Kurschatten erfunden, eine vornehme Umschreibung des Seitensprungs während der Kur. Mit oder ohne unseren Kurschatten gehen wir durch ein Wohnviertel bergan Richtung Mooshütte, wir wandern den Weg gegen den Uhrzeigersinn. Bei der Mooshütte findet sich tatsächlich Moos zwischen den Holzbalken, wie der Mörtel zwischen Backsteinen - ein wahrhaft zauberhafter Ort.

Wenn wir die Hütte erreicht haben, sind schon einige Höhenmeter geschafft. Das ist gesund, das könnt ihr mir glauben. Weniger glaubhaft scheint mir – das habe ich im Internet recherchiert – dass der Kurschatten „als natürliches Mittel zur Förderung des Kurerfolges schulmedizinisch anerkannt“ sei. Diese Diagnose stammt eher aus dem Reich der Fake News.

Auf jeden Fall können wir an der Mooshütte wie an unzähligen anderen Passagen der Heimatspur Kurschattensteig großartige Ausblicke auf Bad Bertrich erhaschen. Auch ohne Kurschatten bietet unser Wanderweg eine Therapie, die jedes Wandererherz erfreut: Wunderschöne Pfade plus tolle Ausblicke plus zahlreiche Rastmöglichkeiten.  So langsam wandern wir wieder bergab Richtung Bad Bertrich und erreichen den Parkplatz Ost. Wir überqueren den Ueßbach, der nach starken Regenfällen ganz schön wild rauschen kann. Der Kurschattensteig führt uns auf einem sehr romantischen Abschnitt (nicht vergessen, mit dem Kurschatten zu kuscheln!) am Schwanenweiher entlang. Als ich bei der Testwanderung am Schwanenweiher wanderte, sah ich allerdings keine Schwäne, sondern nur zwei bemerkenswert hässliche Enten. Ob die sich noch in weiße Schwäne verwandeln, wage ich zu bezweifeln.

Und dann geht es noch einmal ordentlich bergan. Falls ihr es nicht wusstet: Bad Bertrich ist ein eidgenössischer Kurort. Seitdem die Schweizer Nationalmannschaft bei der WM 2006 ihr Quartier in Bad Bertrich bezogen haben, ist die Kurstadt in der Vulkaneifel der 27. Kanton der Eidgenossen. Und, ganz ehrlich, man hätte bei dieser bergigen, um nicht zu sagen alpinen Landschaft ahnen können, dass Bad Bertrich zur Schweiz gehört. Der Kurschattensteig ist ganz schön anstrengend (insgesamt 318 Höhenmeter!). Ich vermute, dass man seinen Kurschatten schon sehr doll liebhaben muss, um das mitzumachen. Zwischen dem Schwanenweiher und dem Hohenzollernturm geht es auf alpinen schmalen Pfaden hinauf.

Es sind die typischen Pfade der Vulkaneifel, die den Charme dieser Wanderung ausmachen. An moosbewachsenen Felsen führen die Schieferpfade den Berg hinauf, besonders spektakulär ist die Passage über einen Bergrat, eine echte Gratwanderung. Wir erreichen den Hohenzollernturm mit seinem charakteristischen roten Spitzdach. Das ist noch mal eine gute Gelegenheit, mit seinem Kurschatten zu turteln, entweder unter dem Spitzdach oder auf der Sinnenliege nebenan, auf jeden Fall immer mit Blick ins „Tal der Liebe“, so haben die Bad Bertricher das amouröse Tal des Ueßbachs genannt.

Langsam aber sicher wandern wir wieder bergab Richtung Tourist Information. Die letzten vierhundert Meter haben es noch mal in sich: Wir gehen auf schmalen Pfaden an Felsen entlang, wie eine Laube schließen sich die Bäume über uns. Bis zum Finale ein ganz großes Wanderabenteuer. Sehr, sehr empfehlenswert ist diese Heimatspur, mit oder ohne Kurschatten.

www.andrackblog.de

www.heimat-spuren.de

Autor: Manuel Andrack

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